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Titel
Steine Berns. Eine geologische Entdeckungsreise durch die gebaute Stadt


Autor(en)
Labhart, Toni; Zehnder, Konrad
Erschienen
Bern 2018: Haupt Verlag
Anzahl Seiten
200 S.
von
Woodford Sybille

Das wichtigste Materialmerkmal Berns, der Sandstein, formt in unbestechlicher Einheit die Fassaden der Altstadt.1 Aber nicht nur Sandstein wurde im Bernbiet verbaut, bereits zu römischer Zeit kam auch Tuffstein als Baumaterial zur Anwendung, der aufgrund geringerer Vorkommen später vom Sandstein abgelöst wurde. An konstruktiv beanspruchten oder der Witterung stark ausgesetzten Bauteilen wurde seit je auf Hartgestein, wie den Kalkstein aus dem Berner Oberland, zurückgegriffen.

Berns Altstadt bildet durch den sorgfältig behauenen Sandstein, der durch Pressfugen gemauert ist und die Fassaden wie aus einem Guss erscheinen lässt, ein monochromes Erscheinungsbild. Die scheinbare Einheitlichkeit täuscht jedoch, denn je nach Herkunft und Beschaffenheit der Sandsteine ergeben sich farbliche Unterschiede von ockerfarben über graugrün bis graublau. Diesem chromatischen Konzept folgen auch die Patrizierhäuser, die mit materialsichtigen, plastischen Akzenten und fein ausgearbeiteten Architekturprofilen hervortreten, jedoch sich farblich durch gefasste Fassadenflächen in Weiss oder Ocker in das Gesamtbild integrieren. Diese einheitliche Farbgebung wird bis heute von polychrom gefassten Brunnen durchbrochen, die Zeugnis von mittelalterlicher Farbigkeit in den Altstadtgassen ablegen. Hingegen waren die Skulpturen am Berner Münster bauzeitlich nur an Teilbereichen farbig gefasst. Auch wurden an den Fassaden bewusst der Stein und die Steinhauerkunst in den Vordergrund gestellt. Bereits zur Erbauungszeit wurde im Innern des Münsters Farbigkeit nur gezielt, nahezu punktuell an Fenstern und im Gewölbe eingesetzt. Im 19. Jahrhundert entstanden zahlreiche repräsentative Bauten in der Stadt, unter ihnen vor allem Wohn- und Geschäftshäuser, die nunmehr der Zeit entsprechend an die Tradition der Materialsichtigkeit anknüpften. Der Stein bleibt in Bern allgegenwärtig. Die Vielfalt an verbautem Stein stieg in der Mitte des 19. Jahrhunderts mit dem Industriezeitalter und den neuen Transportmöglichkeiten an. Zu dieser Zeit entwickelte sich auch die industrielle Produktion von Kunststein (Beton), der mehr und mehr den Naturstein im Bauwesen ablösen sollte.

Seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert sind die Fassaden Berns Gegenstand zeichnerischer und fotografischer Dokumentationen.2 Ab den 1980er-Jahren wurden sie mit dem Beginn der Arbeiten am Bauinventar der Stadt Bern systematisch und vergleichend auf ihre Architektursprache hin untersucht. Der Berner Sandstein, als wichtigstes lokales Baumaterial, wurde bereits seit den 1980er-Jahren in Architekturaufsätzen und geologischen Abhandlungen beschrieben.

Mit dem vorliegenden zweibändigen Werk ist den Geologen Toni Labhart und Konrad Zehnder weit mehr als eine theoretische Auseinandersetzung mit dem Werkstoff Stein geglückt. Es entstand ein Kompendium zu allen verbauten Natur- und Kunststeinen, die im Raum Bern an Bauwerken zu finden sind. Im Basisband werden dem Leser wertvolle geschichtliche Aspekte und geologische Zusammenhänge übersichtlich dargestellt. Die Problematik der Gesteinsverwitterung wird ebenso berücksichtigt wie aktuelle Entwicklungen in der Verwendung von Baumaterialien. Darüber hinaus werden im Exkursionsführer an systematisch ausgewählten Architekturbeispielen die Gesteine an Bauwerken der Stadt Bern erfahrbar gemacht. In brillant verständlicher und knapper Form beziehen sich die Autoren auf die jeweilige Bedeutung des Bauwerkes und gehen auf bauhistorische Erkenntnisse und Restaurierungen ein.

In Kapitel 3 widmen sich Labhart und Zehnder neben dem Berner Sandstein auch allen weiteren im Gebiet rund um Bern verbauten Sandsteinen, alpinen Kalksteinen, Marmoren, Graniten und Findlingen. Zu Beginn wird beschrieben, wann und unter wel- chen geologischen Prozessen die jeweiligen Steine entstanden. Beachtlich und sicher auch für Laien von grossem Interesse ist der Abschnitt «Die Berner Steinbrüche im Überblick». Es wird unter anderem auf die Entwicklung der Quadergrössen, die Abbaumethoden vor und nach dem 20. Jahrhundert eingegangen, und gleichsam werden die Transportwege und die Weiterentwicklung des Fuhrwesens anschaulich dokumentiert. Auch in diesem Kapitel stellen die Autoren den Bezug zu den heute noch nachvollziehbaren Strassenzügen und Bauwerken her. Dem Leser werden geschichtliche Zusammenhänge von zuweilen unbeachteten, alltäglichen Bauwerken oder Strassennamen, wie dem Haspelweg in Bern, im Kontext mit dem Steintransport erläutert. Die Beschreibung der Produktionsstätten und der Transportwege nach Bern sowie die äusserliche Charakterisierung bringen dem Leser auch anzutreffende «Exoten» nahe. Mit grosser Sorgfalt gehen die Autoren jeweils auch auf denkmalpflegerische Belange ein und lassen am Ende der einzelnen Abschnitte dieses Kapitels das Thema der Gesteinsverwitterung nicht unerwähnt.

In Kapitel 4 liegt der Schwerpunkt der Betrachtung auf einzelnen materialimmanenten Baugattungen, wie Brunnen, Strassenpflasterungen oder Mühlsteinen, und Bauteilen, wie Sockeln, Säulen und Dachdeckungen. Dabei gehen die Autoren auf die sich im Lauf der Jahre verändernden Baustile ein und stellen einen Zusammenhang mit den jeweils zur Anwendung gekommenen Gesteinsvarietäten her.

Mit ihrem zweibändigen Werk meistern Toni Labhart und Konrad Zehnder in hervorragender Weise den Spagat, einerseits ein Grundlagenwerk für die Fachwelt zu schaffen, das andererseits auch den Laien durch den wahrlich interessant aufgebauten und durch sein Format gut handhabbaren Exkursionsführer an Themen der Architekturgeschichte, Geologie und Denkmalpflege heranführt. Wenngleich das Werk den Titel Steine Berns trägt, ist es ein Kompendium, das weit über die Grenzen der Stadt hinaus seine Gültigkeit hat und in der täglichen Denkmalpflegepraxis im gesamten Kanton Anwendung finden dürfte.

Zitierweise:
1 Furrer, Bernhard: Geleitwort. In: Trachsel, Hansueli: Sandstein. Eine überraschende Vielfalt. Bern 2007, 6.
2 Hofer, Paul: Die Aussenfront als Syntax. In: Anderes, Bernhard et al. (Hrsg.): Das Denkmal und die Zeit. Festschrift für Alfred. A. Schmid. Luzern 1990, 404.

Zitierweise
Sybille Woodford: Rezension zu: Labhart, Toni; Zehnder, Konrad: Steine Berns. Eine geologische Entdeckungsreise durch die gebaute Stadt. Bern: Haupt 2018. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 82 Nr. 1, 2020, S. 68-70.

Redaktion
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Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 82 Nr. 1, 2020, S. 68-70.

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